Im Jahre 1462 bereitete der türkische Sultan Mehmed der Eroberer den Angriff auf Draculas Hauptstadt, dem an den Ausläufern der Karpaten gelegenen Tirgoviste, vor. Der von Florescu und McNally verfaßten angesehenen Biographie ‚Dracula, Fürst mit vielen Gesichtern‘ zufolge, legt der griechische Chronist Chalcondyles dar:
Als sie sich sechzig Meilen nördlich der Zitadelle befanden, berichteten ihre Kundschafter von einem schauerlichen und furchterregenden Anblick, der später unter Draculas Schreckensherrschaft als ‚Wald der Gepfählten‘ bekannt werden sollte. Auf einer Fläche von über einer Meile waren tausende von Pfählen in einem riesigen Halbkreis angeordnet, an denen in verschiedenen Höhen die Überreste von etwas zwanzigtausend türkischen Gefangenen hingen; ihre Leichen befanden sich durch die sommerliche Hitze in einem Zustand völliger Zersetzung.
Raben und andere Raubvögel der Karpaten hatten in ihnen gewütet und oft ihre Nester in den Schädeln und Gerippen ihrer Opfer gebaut. Die zerfetzten Reste ihrer bunten Kleidung flatterte vor dem Abendhimmel. Die ganze Gegend stank nach Tod – dem Geruch verwesenden Fleisches. Am darauffolgenden Morgen gab der Sultan seinem Heer den Befehl zum Rückzug.
Wer sich den Toren von Draculas verfallenem Fürstenpalais nähert (von hier aus regierte er während drei verschiedener Perioden im 15. Jahrhundert als Woiwode oder Fürst der Wallachai), findet sich einer großen und einschüchternden Büste von Vlad dem Pfähler oder Vlad Tepes, wie er von seinen Landsleuten genannt wurde, gegenüber.
Draculas Palast
Von den eigentlichen Regierungsgebäuden stehen nur noch die verfallenen Mauern über den dunklen Gewölben, die Küchen, Weinkeller, Gefängniszellen und Folterkammern enthalten; über all das herrscht der massive Chindia-Wachturm, den Dracula erbauen ließ.
Er diente hauptsächlich dazu, drohende Angriffe frühzeitig zu erkennen, bot dem Tyrannen jedoch auch einen idealen Ausblick auf die zahlreichen Pfählungen und Folterungen unten im Hof. Unsere Palastführerin beschrieb einige von Draculas weiteren entsetzlichen Taten.
Neben seiner Vorliebe für das Pfählen hatte er Männer, Frauen und Kinder blenden, erwürgen, erhängen, verbrennen, die Haut abziehen, rösten, zerstückeln und bei lebendigem Leibe begrabe lassen.
Ich betrachtete mehrere alte Kupferstiche, auf denen solche Taten dargestellt waren, davon eine, auf der Dracula am Tisch sitzend gezeigt wird, wie er umgeben von gepfählten und verstümmelten Opfern von einer heiligen Ikone isst.
Nach dieser besonders schockierenden Tat begannen viele, Draculas Ruf als Kannibalen und blutsaugendem Vampir Glauben zu schenken. Er soll im Verlauf seines Lebens den Tod von mehr als 100.000 Menschen verantwortet haben, darunter ein Drittel der Bevölkerung der Wallachei. Eines seiner schamlosesten Verbrechen trug sich in der Zitadelle von Trigoviste selbst zu. Er lud alle Kranken, Blinden, Armen und Bettler der gesamten Gegend zu einem spektakulären Festessen ein, das im großen Speisesaal für sie bereitet wurde.
Nachdem die vielen Bauern sich satt gegessen und soviel Wein getrunken hatten, wie sie nur vermochten, befahl Dracula seinen Mannen, das Herrenhaus in Brand zu setzen. Kein einziger seiner Gäste entging den Flammen.
Später erfuhr ich noch von einem Geheimgang, der früher vom Palais zur fürstlichen Kapelle führte. Diese heilige Stätte ist gut erhalten, reich an Atmosphäre und Verzierungen, ein friedlicher Ort, an den sich das Monster oft zurückzog, nachdem er in einer Orgie des Tötens geschwelgt hatte. Dann flehte er von Gott Vergebung für seine Verbrechen, die er in seiner Ansicht nach gerechtfertigterweise zum Wohle der Nation verübte.
Ich hatte genug gehört und gesehen und ging vom Palais weg über ein Feld, wo ich dicht bei einer alten Mauer auf zwei steinerne Kreuze stieß.
Das erinnerte mich an die bekannte Abneigung des Vampirs gegen Kreuze und Kruzifixe, und ich beschloß, letzteres während meiner weiteren Fahrt durch Rumänien bei mir zu tragen.